Kontinuierlich steigende Lebenserwartung, sinkende Geburtenzahlen und die Abwanderung junger Fachkräfte bei (teilweise) fehlender Zuwanderung stellen die Unternehmen vor völlig neue Herausforderungen. Die demografische Zange ist für viele Unternehmen nicht mehr nur Drohbegriff. Viele Unternehmen zwickt oder kneift sie schon!
Nicht nur die Bevölkerung altert, sondern auch die Belegschaften!
Entsprechend der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes wird bis zum Jahr 2050 der Anteil der
Mittelfristig steigt damit bis zum Jahr 2035 der Anteil der Erwerbstätigen, die 50 Jahre und älter sind, auf fast 25 %.
Diese statistischen Eckpfeiler deuten auf einen enormen Handlungsbedarf in Unternehmen bezüglich des Umgangs mit älter werdenden Belegschaften. Allerdings zeigen Untersuchungen der Initiative neue Qualität der Arbeit und der TU Cottbus, dass die zukünftige demografische Veränderung für Unternehmen zurzeit nur auf der einen, der „jungen“ Seite der demografischen Schere als Handlungsfeld wahrgenommen wird.
Der Fokus der Unternehmen liegt gegenwärtig noch sehr stark auf Themen wie „War for Talents“, High Potentials, Talentmanagement usw. Während Themen, die im Zusammenhang mit älteren Beschäftigten stehen, noch weniger berücksichtigt und gestaltet werden. Grund genug, sich intensiver diesem Thema zu widmen.
TIPP: Auf den Seiten der Initiative Neue Qualität der Arbeit finden Sie hilfreiche Demografie-Checks.
1. Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitsorganisation: Als wichtiger Teilbereich wird in dem Dokument die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung aufgeführt. Grundsätze ergonomischer Arbeitsgestaltung sollten sein:
2. Arbeitszeitgestaltung und Arbeitszeitflexibilität: In diesem Handlungsfeld bietet sich ein ganzer Blumenstrauß von Gestaltungsmöglichkeiten.
Mögliche Parameter der Arbeitszeitgestaltung sind:
TIPP: Nutzen Sie unser kostenfreies Tool „Übersicht Arbeitszeitmodelle“! Das Tool besteht aus einer Kurzdarstellung von neun ausgewählten Arbeitszeitmodellen. Diese sind hinsichtlich der Eignung für verschiedene Beschäftigtengruppen bewertet. Die Beschäftigtengruppen berücksichtigen Alter (Gliederung in drei Altersgruppen: bis 40 Jahre, 40 - 55 Jahre, über 55 Jahre) und familiären Hintergrund (mit oder ohne Familie).
3. Tätigkeits- und Berufswechsel: Dieses Handlungsfeld besitzt besondere Relevanz für Beschäftigte, die sehr schwere körperliche Arbeit verrichten oder deren Arbeit mit hohen psychischen Belastungen verbunden ist.
Als weiteres Handlungsfeld sollte unbedingt die Systematisierung des Wissens und die Wissensübergabe betrachtet werden.
Die Problematik der Wissensübergabe bzw. eines drohenden Wissensverlustes verdeutlichen die folgenden Beispiele:
Beispiel 1: Der Ofenmeister eines Keramikherstellers ist 60 Jahre und kennt jede nur erdenkliche Einstellung der beiden Brennöfen des Unternehmens. Viele der spezifischen Produktionsparameter sind nicht dokumentiert, sondern als implizites Wissen im Kopf des Meisters vorhanden. Einen oder mehrere Nachfolgende gibt es nicht. Wenn dieses Unternehmen nicht zeitnah handelt, dann wird das Wissen nach dem Verlassen des Unternehmens durch den Meister nur unter sehr hohem Aufwand wieder aufgebaut werden können.
Beispiel 2: Die 63-jährige Vertriebsleiterin eines Schleifmittelherstellers hält 70 Prozent der Kundenkontakte des Exportgeschäfts des Unternehmens. Die meisten Kontakte sind nur in ihrem persönlichen Adressbuch, wichtige Kundeninformationen nur „in ihrem Kopf“ vorhanden. Auch hier ist höchster Handlungsbedarf angezeigt, denn im schlimmsten Fall geht nicht nur die Vertriebsleiterin in den kommenden zwei bis vier Jahren in den Ruhestand, sondern wichtige Kunden/innen bzw. Kundeninformationen gehen verloren.
Viele Unternehmen nutzen laut aktuellen Forschungsergebnissen die bereits vorhandenen Möglichkeiten zur alters- und alternsgerechten Arbeitsgestaltung nicht oder noch nicht ausreichend. Und dies, obwohl alters- und alternsgerechte Arbeitsgestaltung nicht nur ein Kostenfaktor ist, sondern auch deutlich zur Steigerung der Motivation und Produktivität beitragen kann. Weiterhin ist alters- und alternsgerechte Arbeitsgestaltung ein schlagkräftiges Argument, um sich als guter Arbeitgeber darzustellen.
Altersstrukturanalyse: Die Altersstrukturanalyse ist wohl eines der bekanntesten und am häufigsten eingesetzten Instrumente in der Demografiearbeit von Personalabteilungen. Die Breite der eingesetzten Altersstrukturwerkzeuge reicht von einfachen, selbst programmierten Excel-Dateien über kostenfreie Softwaretools bis hin zu kostenpflichtigen Programmen.
Wichtige Leitfragen einer Altersstrukturanalyse sind:
TIPP: Auf den Seiten der Initiative Neue Qualität der Arbeit finden Sie eine Übersicht von 11 Altersstrukturanalysewerkzeugen.
Qualifizierungsbedarfsanalyse (verwendetes Synonym: Qualifikationsbedarfsanalyse): Mit der Qualifizierungsbedarfsanalyse wird nicht nur der Bedarf nach Personalentwicklung erhoben, sondern auch gleichzeitig der IST-Zustand der vorhandenen Qualifikationen erfasst. Bezüglich des Themas „Alternde Belegschaften“ lassen sich u. a. folgende Erkenntnisse aus einer Qualifizierungsbedarfsanalyse ableiten:
Gefährdungs- und Belastungsanalyse: Eine Gefährdungs- und Belastungsanalyse liefert wichtige Erkenntnisse für arbeitsgestalterische Maßnahmen, die sich auf folgende Teilbereiche beziehen können:
Bei einer Belastungsanalyse werden physische und psychische Belastungen ermittelt.
TIPP: Umfangreiche Informationen und Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung finden Sie auf dem Portal www.gefaehrdungsbeurteilung.de.
Work Ability Index (WAI): Mit dem Work Ability Index wird die Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten ermittelt. Synonyme sind Arbeitsfähigkeitsindex oder Arbeitsbewältigungsindex.
TIPP: Nutzen Sie die Seiten des WAI-Netzwerks, um sich weiter über den WAI zu informieren! Auf den Seiten sind ein Kurzfragebogen, ein Langfragebogen und eine Online-Version verfügbar.
1. Klären, wer wann das Unternehmen verlassen will: Basis dafür bildet die Altersstrukturanalyse. Jedoch kann aus dieser nicht mit letzter Gewissheit abgeleitet werden, wann ältere Beschäftigte das Unternehmen verlassen wollen bzw. werden. So gibt es Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, welche gern jede gesetzliche oder betriebliche Regelung und Chance nutzen, bereits früher in den Ruhestand zu gehen. Andererseits gibt es Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die lieber noch das eine oder andere Arbeitsjahr „dran hängen“. Natürlich gibt es auch diejenigen, die am liebsten gar nicht in Rente gehen.
TIPP: Nutzen Sie die Ergebnisse der Altersstrukturanalyse, um den Personenkreis zu identifizieren, der in den nächsten fünf Jahren in Rente gehen könnte! Suchen Sie im nächsten Schritt diejenigen Personen heraus, deren Wissen und Know-How für das Unternehmen besonders wichtig sind. Führen Sie mit diesen Personen Perspektivgespräche bzw. Austrittsgespräche, um den genauen Zeitpunkt und die Rahmenbedingungen des Austritts aus dem Unternehmen zu konkretisieren.
2. Lokalisieren, wo wichtiges Wissen „nur“ in den Köpfen steckt: In jeder Organisation ist es vorhanden, das Wissen einzelner Personen, auch umgangssprachlich "Königs- oder Kaiserwissen" genannt. In manchen Fällen ist dies über viele Jahre unbewusst entstanden. Andererseits wird es auch oft von Personen aus ganz unterschiedlicher Motivation heraus zielgerichtet erzeugt, gepflegt und ausgebaut. Dies ist sicher nicht nur ein altersbedingtes Problem! Jedoch wird es spätestens beim altersbedingten Verlassen von Schlüsselpersonen ein Problem.
TIPP: Nutzen Sie die Ergebnisse der Qualifizierungsbedarfsanalyse, um an bestimmte Know-How-Träger/innen gebundenes Wissen zu erfassen!
TIPP: Führen Sie eine Befragung in den Arbeitsteams bzw. im Unternehmen durch! Zentrale Fragestellungen können sein: Wen würden Sie fragen, wenn Sie ein Probleme hätten mit ...? Wer ist aus Ihrer Sicht Experte/in für ...? Wer weiß am meisten über ...?
3. Wissen systematisieren und visuell darstellen: Arbeiten Sie mit verschiedenen Maßnahmen Wissen systematisch auf!
TIPP: Aktualisieren Sie regelmäßig Stellenbeschreibungen! Führen Sie dazu Interviews mit den Stelleninhabenden durch! So lässt sich sehr gut Spezialwissen oder implizites Wissen lokalisieren.
4. Wissen systematisch übergeben: Für die Wissensübergabe von älteren auf jüngere Beschäftigte gibt es eine große Bandbreite von möglichen Maßnahmen. Zu nennen sind u. a.:
TIPP: Nutzen Sie unser Tool „Muster Wissensdialoge“! Es unterstützt Sie dabei, den Austausch über individuelles und im Unternehmen geteiltes Wissen möglichst effektiv zu gestalten. Besonders hilfreich sind Wissensdialoge bei Übergabeprozessen im Zuge von Stellennachfolgen.
TIPP: Bauen Sie zwischen denjenigen, die Wissen ab- bzw. übergeben, und denjenigen, die Wissen übernehmen, eine persönliche Beziehung auf! Die Chemie muss stimmen, wenn es mit der Wissensübergabe klappen soll.
TIPP: Gestalten Sie Wissensübergabeprozesse als Win-Win-Situationen!
TIPP: Schaffen Sie genügend zeitliche Freiräume für die Wissensübergabe und den Wissensaustausch.
Neigt sich die Lebensphase „Arbeit“ dem Ende, können die Reaktionen sehr unterschiedlich ausfallen: Die einen können es kaum erwarten in den Ruhestand zu treten, während die anderen mit Sorge auf das vermeintliche „Loch“ blicken, was sich im Alltag auftut. Was in Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in puncto Ruhestand vorgeht, können und sollten Sie in einem Perspektivgespräch erfahren.
Wie fit ist Ihr Generationenmanagement? - Mit dem Tool "Fitnesscheck Generationenmanagement" können Sie das Fitnesslevel Ihres Unternehmens im Management der verschiedenen Generationen prüfen.
Um den Unternehmensbetrieb nicht zu stören und den Wissensverlust zu verringern ist eine systematische und strukturierte Vorbereitung und Durchführung der Nachfolge von großer Bedeutung. Die Checkliste Nachfolgeprozess kann Ihnen hierfür als Leitfaden dienen.
Bewältigen Sie unausgewogene Altersstrukturen! Das Tool Handlungsoptionen Altersstruktur beschäftigt sich mit ausgewählten Möglichkeiten von Unternehmen auf eine jugend- oder alterszentrierte Personalstruktur angemessen zu reagieren und möglichst proaktiv zu handeln.
Sie wollen überprüfen, über welche Potenziale Sie im Bereich Umgang mit alternden Belegschaften verfügen und welche zukünftigen Schwerpunkte sich in diesem Themenfeld ergeben?
Die Checkliste Alternde Belegschaften hilft Ihnen in den vier Handlungsfeldern:
Gewinnen Sie Ansatzpunkte für personalstrategische Entscheidungen! Der "Alterstrukturcheck" ermöglicht eine erste Sensibilisierung von Entscheidungsträgern im Unternehmen für Risiken, die sich aus der vorliegenden Altersstrukturen im Unternehmen ergeben. Der Check zeigt Handlungsoptionen zur Verringerung altersstrukturbedingter unternehmerischer Risiken auf.
Basierend auf biologisch-medizinischen Erkenntnissen der 60-er Jahre wird auch heute noch in Unternehmen bei der Entwicklung von Personalmanagementstrategien die Annahme zugrunde gelegt, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für innovative Tätigkeiten schlechter geeignet sind. Ebenso werden älteren Beschäftigten Attribute wie geringere Leistungsfähigkeit und geringere Flexibilität zugeschrieben.
Neuere Untersuchungen (Friedrich Ebert Stiftung und Rostocker Zentrum für die Erforschung des demografischen Wandels) zeigen jedoch, dass die Fähigkeit älterer Mitarbeiter/innen, Neues zu lernen, stark von Niveau und Umfang der bisherigen Lernanforderungen in ihrem Arbeitsleben abhängig ist. Eine Analyse der TU Cottbus aus dem Jahr 2007 kommt u. a. zu folgenden Ergebnissen:
Umfangreiche und äußerst aktuelle Informationen mit vielen nationalen und internationalen Links zum Thema finden Sie auf den Seiten des österreichischen Netzwerks "Älter werden. Zukunft haben!".
U. a. folgende deutsche Seiten beschäftigen sich ausführlich mit dem Thema Demografie und älter werdende Belegschaften:
Weitere Inhalte auf perwiss.de finden Sie unter:
Resümee: Ältere Beschäftigte sind nicht weniger, sondern anders leistungsfähig. Aufgabe der Unternehmen ist es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit diese Leistungspotenziale erschlossen werden können.
Lesen Sie mehr Tipps und Anregungen, wie Sie nicht nur durch die Gewinnung junger Fachkräfte, sondern auch durch die Einführung effektiver Strategien zum Umgang mit älteren Belegschaften die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens stärken können.