Tool: Checkliste Candidate Experience
Informieren sich potenzielle Kandidaten über Ihr Unternehmen und gibt es Berührungspunkte…
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Sowohl bei der internen als auch bei der externen Personalauswahl stehen Personalverantwortliche vor einer zentralen Frage. Wie kann aus einer Vielzahl von Bewerbenden der passende Kandidat bzw. die passende Kandidatin mit vertretbarem Aufwand identifiziert werden?
Unter dem Einfluss des aus verschiedenen Faktoren resultierenden Fachkräftemangels, wie beispielsweise der demografischen Entwicklung, stehen Personalverantwortliche immer häufiger vor der Frage: Wie finden wir unten den wenigen zur Verfügung stehenden Bewerbenden denjenigen oder diejenige mit der besten Eignung?
Nach Kanning (2004) „stellt die Personaldiagnostik Prinzipien, Methoden und Messinstrumente für diagnostische Aufgaben im Personalwesen - z. B. für die Personalauswahl oder die Personalentwicklung - bereit. Sie greift dabei auf wissenschaftliche Methoden und Forschungsergebnisse der akademischen Psychologie zurück.“ Damit geht es bei der Personaldiagnostik also darum, Unterschiede zwischen Personen, wie Mitarbeitenden oder Bewerbenden, zu erheben, angemessen zu interpretieren und schließlich darauf basierend eine fundierte Personalentscheidung zu treffen. Oft wird die damit verbundene Personalentscheidung nur einseitig betrachtet – natürlich möchte das Unternehmen keine falsche Auswahl treffen, allerdings haben Prozesse der Personaldiagnostik auch einen Mehrwert für diejenigen, die beurteilt werden und damit vermeintlich „am kürzeren Hebel“ sitzen.
Mitarbeitende oder Bewerbende profitieren von der Durchführung von Personaldiagnostik, indem
Unternehmen verfolgen mit dem Einsatz von personaldiagnostischen Verfahren auch weitaus mehr Ziele, als die Unterscheidung von Personen, um den Besten oder die Beste auszuwählen, wie die folgende Aufzählung zeigt:
Grundsätzlich können Verhaltensbeobachtung, Befragung und Testung unterschieden werden.
Verhaltensbeobachtungen können als Fremd- oder Selbstbeobachtung durchgeführt werden. Man kann zwischen offenen und verdeckten Beobachtungen unterscheiden. Ziel der Verhaltensbeobachtung im Kontext des Personalmanagements ist es, konkrete Verhaltensmerkmale von Personen, z. B. von Mitarbeitenden oder Bewerbenden, zu erfassen und hinsichtlich einer bestimmten Fragestellung (z. B.: Ist der/die Bewerbende für die ausgeschriebene Stelle geeignet?) auszuwerten.
TIPP: Nutzen Sie die "Checkliste Assessment Center", um:
Befragungen können einzeln oder als Gruppenbefragung organisiert werden. Sie können mündlich (als Interview) oder schriftlich (über einen Fragebogen) durchgeführt werden. Ziel der Befragung im Kontext des Personalmanagements ist es, Informationen, Meinungen oder Einstellungen von Personen, z. B. von Mitarbeitenden oder Bewerbenden, zu sammeln und hinsichtlich einer bestimmten Fragestellung (z. B.: Wie schätzen unsere Mitarbeitenden das Unternehmensklima ein?) auszuwerten.
TIPP: Nutzen Sie zur Gestaltung Ihrer Mitarbeiterbefragungen unsere Tools:
Bei einer Testung können sprachgebundene und sprachfreie Tests mit verschiedenen Antwortformaten differenziert werden. Ziel einer Testung im Kontext des Personalmanagements ist es, individuelle Merkmalsausprägungen von Personen, z. B. von Mitarbeitenden oder Bewerbenden, zu quantifizieren und hinsichtlich einer bestimmten Fragestellung (z. B.: Ist der/die Mitarbeitende aufgrund seiner/ihrer Persönlichkeit für eine Führungsposition geeignet?) auszuwerten.
TIPP: Nutzen Sie das Tool „Vor- und Nachteile von Personaldiagnoseverfahren“ um
Vergleich von Mitarbeitenden oder Bewerbenden und Bildung einer Rangfolge für eine Funktion oder Position.
Andrey PopovBeispiel: Im Rahmen des Bewerbungsprozesses für die Stelle der Verkaufsleitung wurden mit den letzten fünf Kandidaten/innen zwei Tests und ein Interview durchgeführt. Alle drei Verfahren wurden durch die Personalverantwortliche ausgewertet. Durch die Zusammenführung der Leistungen der fünf Kandidaten/innen ergibt sich eine Rangfolge ihrer Eignung für die Stelle der Verkaufsleitung. Die Personalverantwortliche wird nun mit dem/r Inhaber/in von Rangplatz eins ein Einstellungsgespräch führen. Kommen die beiden hinsichtlich der Gehaltsvorstellungen, des Urlaubsanspruches usw. überein, ist die Einstellung perfekt. Sollte sich keine Übereinkunft erzielen lassen, wird die Personalleiterin Kontakt mit dem/r Inhaber/in von Rangplatz zwei aufnehmen.
Auswahl von Mitarbeitenden oder Bewerbenden anhand definierter Merkmalsausprägungen für eine Funktion oder Position.
Beispiel: Ein Unternehmen sucht eine/n Fachspezialisten/in zur Betreuung der ausländischen Kunden. Neben Fachwissen über die eigenen Produkte sind für diese Stelle verschiedene sprachliche Fähigkeiten, aber auch soziale und selbstbezogene Kompetenzen erforderlich, da die Kundenbetreuung mit längeren Auslandsaufenthalten in verschiedenen Kulturkreisen verbunden ist. Das Unternehmen hat drei interne Anwärter/innen durch Entwicklungsgespräche identifiziert. Diese drei schätzen daraufhin ihre sozialen und selbstbezogenen Kompetenzen ein und werden ebenfalls durch ihre Vorgesetzten beurteilt. Mit den Ergebnissen sieht das Unternehmen, welche/r der Kandidaten/innen mit seiner/ihrer Ausprägung am nächsten am Anforderungsprofil der Stelle liegt und kann daraufhin eine begründete Auswahlentscheidung treffen.
Platzierung von Mitarbeitenden oder Bewerbenden anhand definierter Anforderungen mehrerer Funktionen oder Positionen.
Beispiel: Die Ausbildungszeit von zwei Lehrlingen in einem Unternehmen geht zu Ende. Es steht bereits fest, dass beide übernommen werden sollen. Perspektivisch werden zwei Fachkräftestellen mit unterschiedlichem Fokus durch das altersbedingte Ausscheiden von langjährigen Mitarbeitenden frei. Aus diesem Grund verschafft sich der Personalleiter des Unternehmens in Gesprächen mit den Auszubildenden einen Eindruck über die Präferenzen der beiden für die Stellen. Außerdem lässt er den Ausbildungsverantwortlichen eine Leistungseinschätzung und eine Potenzialbeurteilung erstellen, die mit den Anforderungen der beiden Fachkräftestellen abgeglichen werden. Der Personalleiter kann daraufhin beiden Auszubildenden begründet jeweils eine der beiden Stellen anbieten.
Entwicklung von Personal und Organisation durch Ansätze zur Anpassung von Qualifikationen, Arbeitsbedingungen usw.
Beispiel: Bei einem Auswahlverfahren für die Stelle eines/r Personalreferenten/in hat sich Frau Müller als die am besten geeignete Kandidatin erwiesen. Allerdings zeigt ihr im Zuge des Auswahlverfahrens erhobenes Kompetenzprofil noch ein paar Abweichungen zu den Stellenanforderungen, u. a. im fachlichen Bereich. Aus diesem Grund nimmt Frau Müller im kommenden Jahr an drei externen Weiterbildungsseminaren, u. a. zu den Themen Ausbildungsmarketing und E-Recruiting, teil. Außerdem erhält sie ein Coaching zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Hat sie diese Maßnahmen hinter sich gebracht, findet eine erneute Einschätzung ihrer Kompetenzen im Rahmen des jährlichen Mitarbeitergespräches statt.
Unternehmen, die Auswahlprozesse durch diagnostische Verfahren unterstützen wollen, werden von vornherein vor einen Abwägungsprozess gestellt: Welches Verfahren passt zur Fragestellung, liegt im Budget und ist zeitlich realisierbar? Den „perfekten Test“ oder das „ideale personaldiagnostische Verfahren“ gibt es jedoch nicht. Daher sollten Personalverantwortliche die wesentlichen Gütekriterien kennen, um verschiedene Instrumente zur Personaldiagnostik miteinander vergleichen zu können. Das Wissen um diese Qualitätsmerkmale ist ebenfalls wichtig, um unternehmenseigene und selbst entwickelte Verfahren angemessen beurteilen zu können.
TIPP: Nutzen Sie unser Tool „Entscheidungshilfe für Personaldiagnoseverfahren“, um gezielt das Für und Wider personaldiagnostischer Verfahren in den Bereichen Personalauswahl und -entwicklung abzuwägen. Es dient als Entscheidungshilfe für die Auswahl angemessener personaldiagnostischer Verfahren für Ihre unternehmensspezifischen Personalentscheidungen in der Auswahl oder der Entwicklung von Mitarbeitenden. Das Tool kann Ihnen Anregungen liefern, Standardprozesse für verschiedene Personalentscheidungen in Ihrem Unternehmen zu erarbeiten.
Zu den Hauptgütekriterien zählen:
Bei den Nebengütekriterien werden unterschieden:
Ein besonderes Augenmerk sollten Personalverantwortliche und Führungskräfte bei der Anwendung von Personaldiagnostik auf die sogenannte „soziale Validität“ legen. Damit ist die prozedurale Fairness gemeint. Diese setzt sich zusammen aus den Informationen, die den zu Beurteilenden über die anstehenden Aufgaben und Erwartungen mitgeteilt werden, der allgemeinen Transparenz der Auswahlsituation, sprich des Beurteilungsprozesses und der Beurteilungsregeln, des Grades der Beteiligung und des Einflusses der zu Beurteilenden auf die Situation und der Art und Weise der Urteilskommunikation, d. h. gibt es ein persönliches Feedback und welche Qualität weist dieses auf. Diese vermeintlichen Merkmale für das „Drum-Herum“ sind nicht zu unterschätzen, schließlich gewinnen alle an Auswahlprozessen Teilnehmenden einen bestimmten Eindruck über das Unternehmen, den sich nicht nur persönlich mitnehmen, sondern auch mit anderen teilen. So kann ein „sozial valider“ diagnostischer Auswahlprozess auch bei nicht Ausgewählten einen positiven Eindruck hinterlassen und damit das Arbeitgeberimage stärken. Selbstverständlich ist dieser Ansatz auch in die negative Richtung weiter zu denken.
LVDESIGN - FotoliaMessfehler treten immer in einem bestimmten Umfang auf und sollten bei der Interpretation und Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Beispielsweise führt allgemeine Testangst oder Prüfungsangst zu einer Veränderung der eigentlich zu erwartenden Messwerte und ist damit als Messfehler zu betrachten.
Normen sind wesentlich für die Auswertung von Testverfahren, diese liegen jedoch nur für bestimmte, definierte Zielgruppen und nur für standardisierte Testverfahren vor. Dementsprechend sollte stets ein Blick in das Repertoire der für einem Test zur Verfügung stehenden Normen geworfen werden, damit der ausgewählte Test auch Normen aufweist, die für die zu beurteilenden Personen angewendet werden können.
Kontextabhängigkeit z. B. bzgl. Ort, Dauer und Zeitpunkt, besteht stets und sollte bei der Interpretation und Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Unterzieht man Bewerbende einer „Marathon-Testung“ ist nachvollziehbar, dass die Konzentration über die Zeit nachlässt. Auch ist es entscheidend, ob eine Einzel- oder Gruppentestung vorliegt oder der Ort des Testung angemessen ist (Licht, Lautstärke von Störgeräuschen usw.)
TIPP: Die Durchführung von Personaldiagnostik sollte qualifiziertem Personal überlassen werden, da Laien das theoretische Hintergrundwissen, beispielsweise für eine kontextgerechte Interpretation von Ergebnissen, fehlt. Auf unseren Seiten für Personalberatung und Personalsoftware finden Sie eine Auswahl von Anbietern und Dienstleistungsunternehmen.
Unsere drei Tools zur Personaldiagnostik liefern Ihnen Hilfestellung und Praxistipps:
Weiterführende Informationen finden Sie auf der spezifischen Linkseite. Bei der Auswahl geeigneter Literatur steht Ihnen unsere Bücherliste zur Verfügung. Interessante Studien zum Thema finden Sie unter Trends Personaldiagnostik.
Eine Einführung in die Berufseignungsdiagnostik bietet Heinz Schuler unter dem Titel „Psychologische Personalauswahl: Eignungsdiagnostik für Personalentscheidungen und Berufsberatung“ (2014). Es werden verschiedene psychologische Verfahren zu Personaldiagnostik, wie Einstellungsinterviews, Testverfahren, Arbeitsproben und biographische Fragebögen sowie Assessment Center, vorgestellt. Weiterhin wird in diesem Zusammenhang auch über die Qualität, den Nutzen, die Fairness und die Rechtsmäßigkeit der verschiedenen Verfahren aufgeklärt. ISBN-13: 978-3801718640
Viele Personalentscheidungen werden auch heute noch auf Basis von Personalgesprächen getroffen. Daher widmet sich Wolfgang Jetter unter dem Titel „Praxistraining Einstellungsinterviews: Bewerbergespräche planen, führen und auswerten“ (2016) strukturierten Einstellungsinterviews, als Methode, die am besten passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden. Abgerundet wird das Buch durch Übungen und Videos mit Anwendungssituationen und Praxisbeispielen, welche bei der praktischen Umsetzung unterstützen. Folgende Themen finden in seinem Workbook Platz:
Albrecht Müllerschön beschreibt in seinem Handbuch für Personalverantwortliche „Bewerber professionell auswählen“ (2012) wie der Personalauswahlprozess Schritt für Schritt gestaltet werden kann. Dabei geht er insbesondere auf das Vorstellungsgespräch ein. Checklisten (wie zum Beispiel: Beobachtungsbögen, Fragenkatalog zu Anforderungsmerkmalen, Checkliste Gesamtauswahlverfahren, Personalfragebogen) zum Downloaden unterstützen verschiedene Phasen der Personalauswahl. ISBN-13: 978-3407365163
Das Werk „Grundlagen der Eignungsdiagnostik: Professionelle Methoden der Personalauswahl“ wurde 2015 von Viktor Lau herausgegeben. Es versteht sich als Grundlagenwerk, welches neben Methoden- auch Erfahrungswissen vermittelt. Hierbei grenzt der Autor seriöse Instrumente der Eignungsdiagnostik gegen ungeeignete Produkte ab. ISBN-13: 978-3956630309
„Eignungsdiagnostik: Qualifizierte Personalentscheidungen nach DIN 33430“ herausgegeben von DIN e.V., ist im Jahr 2016 erschienen. Die Autoren stellen das Thema der Eignungsdiagnostik zur Personalauswahl in den Vordergrund. Dabei wird auf die DIN 33430 Norm eingegangen. Es gibt darüber hinaus eignungsdiagnostische Checklisten, Planungshilfen und Anwendungsbeispiele für die Praxis an die Hand. Gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung und den wachsenden Einfluss der Digitalisierung auf den Märkten wird es immer wichtiger, ohne große Umwege und Fehlgriffe den/die passenden Mitarbeiter/in auszuwählen. ISBN-13: 978-3410262084
Verwendete Literatur
Kanning, U. P. (2004). Standards der Personaldiagnostik. Göttingen: Hogrefe.
Fisseni, H. (1990). Lehrbuch der psychologischen Diagnostik. Göttingen: Hogrefe.
Hossiep, R. & Wottawa, H. (1993). Die Angewandte Psychologie in Schlüsselbegriffen. In A. Schorr (Hrsg.), Handwörterbuch der Angewandten Psychologie (S. 131-136). Bonn: Deutsche Psychologien Verlags GmbH.
Amelang M. & Zielinski W. (1994) Psychologische Diagnostik und Intervention. Verlag Springer.
Foto: Dirk Mahler
Sarah Rögner ist Arbeits- und Organisationspsychologin sowie ausgebildeter Karriere-Coach und ausgebildete Mediatorin. Seit 2011 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der MA&T Organisationsentwicklung GmbH. Sie trainiert und coacht Führungskräfte und begleitet Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Teams. Effektives Kommunizieren sowie der konstruktive Umgang mit Konflikten gehören zu ihren Trainingsthemen. Als eine der Hauptredakteurinnen auf Perwiss befasst sie sich u. a. mit Personalkommunikation, Mitarbeitermotivation und Personalentwicklung.