Führen auf Distanz - Wie die Führung virtueller Teams gelingt!
Remote Work wird im Kontext von New Work mit großer Wahrscheinlichkeit auch zukünftig ein bedeutsamer Aspekt der modernen Arbeitswelt und unserer Normalität sein. Beeinflusst durch die Corona-Pandemie haben viele Unternehmen auf Home Office umgestellt. Die Folge sind immer mehr virtuelle Teams bzw. virtuelle Teamarbeit. Daraus resultiert der Bedarf nach einer ganz besonderen Form der Mitarbeiterführung - Führen auf Distanz. In diesem Beitrag lernen Sie die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren von Führen auf Distanz kennen, erhalten viele Tipps und entwickeln die virtuelle Führung Ihrer Mitarbeiter weiter.
Beim Führen auf Distanz erfolgt im Gegensatz zur Führung in Präsenz die Mitarbeiterführung ohne direkten face-to-face-Kontakt zwischen Führungskraft und geführten Personen. Diese Form der Führung kann prinzipiell auch ohne digitale Medien umgesetzt werden (z. B. über Medien wie Brief, Telegramm, Telefon, Funk, Fax). Die heutigen digitalen Medien ermöglichen eine spezielle Form der Führung auf Distanz. Diese wird virtuelle Mitarbeiterführung genannt.
Führen auf Distanz (Führung 4.0) geht mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen und Voraussetzungen einher. Dazu gehören:
Die größte Herausforderung von Remote Leadership ist die Fähigkeit trotz räumlicher Distanz eine Nähe zu den Mitarbeitenden mit einer passenden Führungsbeziehung aufzubauen. Führen auf Distanz benötigt einen hohen Grad an sozialer Interaktion. Durch die Nutzung von Kommunikationsmedien (Chat, Videokonferenzen) geht es darum, die bisherige Interaktion ins Digitale zu übertragen und die Möglichkeiten der Digitalisierung zu erschließen.
Ein Großteil der Kommunikation findet informell am Arbeitsplatz statt. Dies zeigen die Erfahrungen der meisten Führungskräfte gerade während der Corona-Pandemie. Beim Gang in die Küche, beim Small Talk auf dem Flur tauschen sich die Kollegen über Dienstliches wie Arbeitsaufgaben sowie auch über Dinge aus, die über das Berufliche hinausgehen. Diese Gespräche dienen einerseits dem „Informationsaustausch auf dem kurzen Dienstweg“ und sind andererseits wichtiger sozialer „Kitt“. Hier stellt sich die Frage, wie durch passende Führungsaktivitäten diese fehlende Interaktion aufgefangen werden kann.
Eine weitere Herausforderung für Führungskräfte ist die faire Beurteilung auf „Distanz“. Durch den geringeren unmittelbaren Kontakt zu den Mitarbeitern können Informationslücken entstehen, die die Karriereplanung, Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen sowie Personalentwicklungsentscheidungen erschweren.
Ebenso ist es für Führungskräfte bei Führen auf Distanz schwieriger gemeinsame Zielvorstellungen, Zielsetzungen und ganz konkrete Zielvereinbarungen zu entwickeln sowie Commitment zu erzeugen.
Eine weitere Herausforderung entsteht, wenn Teams oder einzelne Teammitglieder Probleme zu lange für sich behalten und die Führungskraft erst eingeschaltet wird, wenn es schon zu spät ist. Hier ist proaktive Kommunikation und Beziehungspflege seitens der Führungskräfte gefragt.
Führungskräfte müssen sich darauf einstellen, dass Missverständnisse und Konflikte bei der Zusammenarbeit durch die Distanz entstehen können. Bei der Vorbeugung helfen Regeln und Standards und beim Bewältigen ausreichend Konfliktbewältigungskompetenz. Mehr dazu finden Sie unten im Artikel.
Trotz der enormen Herausforderungen bietet virtuelle Führung eine Reihe von Chancen für das Unternehmen, die Führungskraft sowie die Teammitglieder.
Führen auf Distanz bietet die Möglichkeit, die Selbstständigkeit der Mitarbeiter zu fördern. Die Teammitglieder führen einen Großteil ihrer Aufgaben in Eigenverantwortung durch. Mittels geschickter Delegation und Übertragung neuer oder erweiterter Aufgaben bietet sich enormes Potenzial zur Personalentwicklung.
Die Arbeit im Home Office bietet exzellente Spielräume für eine freie Zeiteinteilung durch die Mitarbeiter. Diese haben durch diese zeitliche Flexibilität die Möglichkeit, private und berufliche Belange besser miteinander zu verzahnen. So können z. B. Kinder zur Schule oder zum Kindergarten gebracht werden und dann wird weitergearbeitet. Gleichzeitig steigt die Bereitschaft, auch zu eher „ungewohnten“ Zeiten für den Arbeitgeber tätig zu sein. Ebenso kann die Arbeitszeit optimal an den individuellen Biorhythmus angepasst werden.
Die Angst vieler Führungskräfte, dass die Mitarbeiter und Ihr Team diese Freiräume ausnutzen, ist eher unbegründet!
Durch das entgegengebrachte Vertrauen, selbstständig im Homeoffice mit erhöhter Eigenverantwortung tätig zu sein, steigt die Motivation der Mitarbeiter. Sie sind nicht nur motivierter, sondern erhalten gleichzeitig ein stärkeres Gefühl der Wirksamkeit ihrer Arbeit.
Sowohl das Unternehmen als auch die Mitarbeiter profitieren von der Verlagerung des Arbeitsortes in das Homeoffice. Mitarbeiter sparen sich die tägliche Zeit für den Arbeitsweg und die damit verbundenen Fahrkosten. Auf Unternehmensseite sind reduzierte Reisekosten und eine geringere Anzahl von Bürofläche als Positiveffekte aufzuführen.
Unternehmen, die verschiedene Modelle der Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort bieten, werden als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen. Dieser Aspekt wirkt sich besonders positiv während der Corona-Krise aus. Finden Mitarbeiter und Teams dann eine zu diesen Arbeitszeitmodellen passende Führung auf Distanz im Unternehmen vor, wirkt sich dies positiv auf die Mitarbeiterbindung aus.
Führen auf Distanz heißt, dass ggf. die eigene Führungsrolle neu definiert werden muss. Dies bedeutet, sich kritisch selbst zu reflektieren und die Aufgaben als Führungskraft neu auszurichten. Remote Leader sind vor allem Koordinatoren, Moderatoren, Motivatoren sowie Wissens- und Informationsverteiler. Inwieweit Ihr Mindset stimmt, können Sie durch die Reflexion folgender Fragen überprüfen:
Vertrauen in das Team und die einzelnen Teammitglieder gehört zu den wichtigsten Basics für erfolgreiches Führen auf Distanz. Vertrauen entsteht durch ganz unterschiedliche Führungsmaßnahmen. Dazu gehören das Einräumen von Entscheidungsspielräumen, das aktive Einholen von Feedback, der regelmäßige persönliche Kontakt zu allen Teammitgliedern, der konstruktive Umgang mit Kritik, das Kommunizieren und Vorleben von Werten, das Einhalten der Vorbildwirkung sowie das Ernstnehmen von Bedürfnissen und Problemen der Mitarbeiter.
Eine klare Formulierung der Erwartungen an das Team ist für jede Art von Führung unerlässlich. Jedoch gewinnt diese Führungsmaßnahme beim Führen auf Distanz noch weiter an Bedeutung. In diesem Kontext haben Führungskräfte auch die Möglichkeit, die Erwartungen des Teams an sie selbst auszunivellieren. Ebenso wichtig ist es, gemeinsam mit dem Team Kommunikations- und Zusammenarbeitsregeln zu besprechen und zu vereinbaren. Beispiele hierfür sind Rückmeldezeiten auf Posts oder E-Mails, Absprachen zu Meetings oder auch die Erreichbarkeitszeiten bzw. „stille“ Arbeitszeiten.
Halten Sie regelmäßigen Kontakt zu allen Teammitgliedern und verlieren Sie kein Teammitglied aus dem Blick. Nutzen Sie dazu einerseits virtuelle Besprechungen über Videokonferenzsysteme. In diesen Meetings mit dem gesamten Team können Sie den Zusammenhalt untereinander stärken und wichtige Entscheidungen besprechen. Andererseits sollten Sie jedem Teammitglied ausreichend Kommunikationszeit und ein persönliches Zeitbudget einräumen. Der Bedarf bei den Teammitgliedern ist dabei sicher sehr unterschiedlich. Für die persönliche Kommunikation bieten sich Zweierkonferenzen per Videocall oder Telefonate an. In diesen ist es möglich, Einzelaufgaben, Ziele sowie Ergebnisse zu besprechen sowie individuelle Fragen zu klären.
Schenken Sie auch dem Socializing und dem Interesse an den Teammitgliedern ausreichend Aufmerksamkeit. Dies kann durch ganz unterschiedliche Maßnahmen umgesetzt werden. Laden Sie z. B. zu einer virtuellen Mittagspause ein, in der es nicht um Arbeit geht oder nutzen Sie die ersten fünf Minuten der Wochenbesprechung für ein „Wie war das Wochenende?“!
In der virtuellen Arbeitswelt helfen zudem Möglichkeiten der Technik, wie Collaborationstools, den Zusammenhalt zu stärken und die interne Kommunikation zu unterstützen. Dies können Chaträume des Teams, ein gemeinsames Taskboard oder ein gemeinsam genutzter Messangerdienst sein.
Remote Leadership benötigt einerseits neue und andererseits den Ausbau bestehender Kompetenzen. Für Führungskräfte bedeutet dies die Notwendigkeit, in die Entwicklung ihrer digitalen Führungskompetenz zu investieren. Der Ausbau der digitalen Kompetenzen ist auch für die Teammitglieder bedeutsam, damit das Zusammenspiel und Führen auf Distanz gelingt. Zu den Kompetenzen, die erheblich ausgebaut werden sollten, zählen die Kommunikations- und die Konfliktbewältigungskompetenz.
Die Akzeptanz und die Fähigkeit remote außerhalb vom gemeinsamen Büro zu arbeiten, ist sicher auch bei Ihren Mitarbeitern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während einzelne Teammitglieder über eine hohe Selbststrukturierungsfähigkeit verfügen, benötigen andere Struktur und Hilfe „von außen“. Manch einer arbeitet gern allein in seinem „stillen Kämmerlein“ im Homeoffice, während andere wiederum den engen Kontakt sowie den Austausch mit Kollegen bevorzugen. Ebenso gibt es Digitalisierungsfreaks, die alle neuen IT-Tools gern ausprobieren und dann auch einsetzen. Gleichzeitig haben Sie aber sicher auch „Bewahrer des Alten“ in Ihrem Team, die jede Neuerung zumindest erst einmal kritisch beäugen und lieber im "alten Stil" arbeiten.
Wichtig für Sie als Führungskraft ist, dass Sie Ihre „Antennen voll auf Empfang stellen“, um diese Bedürfnisse der Mitarbeiter in jeder Situation zu erkennen und angemessen darauf in Ihrem Führungshandeln zu reagieren.
Umso weniger direkter Kontakt und face-to-face-Kommunikation zwischen den Mitgliedern eines Teams untereinander sowie zu deren Führungskraft vorhanden ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit bzw. das Risiko, dass Konflikte durch Missverständnisse, Fehlinterpretationen, offene Fragen und andere Ursachen entstehen. Typische Ursachen dafür sind unpersönliche Kommunikation, unklare Ziele, mangelnde Transparenz, kulturelle Konflikte.
Besonders problematisch für die Führungskraft ist, dass Konflikte in virtuellen Teams zwischen den Mitarbeitern oft unbemerkt und unterschwellig verlaufen. Wenn es zu einer Eskalation kommt, dann äußert sich dies in einer verminderten Zusammenarbeit zwischen den Konfliktparteien. Im Extremfall kann sogar ein Abbruch der Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern die Folge sein.
Deshalb ist es für Führungskräfte ratsam, nicht erst aktiv zu werden, wenn das „Kind in den Brunnen gefallen ist“. Vielmehr ist es ratsam, in die Vorbeugung des Entstehens von Konflikten zu investieren – die Konfliktprophylaxe.
Tipps für die Führungskraft sind:
Nicht immer können Konflikte vermieden werden. Im Fall eines entstandenen Konfliktes ist eine wichtige Maxime, die weitere Eskalation zu vermeiden.
Führungskräfte sollten lösungsorientiert die Konfliktdiagnose unterstützen. Sie können die Konfliktbewältigung selbst als neutraler Dritter unterstützen oder den Konfliktparteien einen neutralen Moderator bzw. Mediator zur Verfügung stellen. Dafür sollten Sie zunächst Einzelgespräche über Videokonferenz oder besser noch in einem vor Ort Termin realisieren. Der nächste Schritt ist dann die gemeinsame Konfliktbewältigung mit den Konfliktparteien.
Nach der Klärung des Konfliktes sollten Führungskräfte "dran bleiben" und die weitere Kooperation zwischen den Beteiligten beobachten, damit ein erneutes Ausbrechen des Konfliktes schnell erkannt wird.
Digitaler Wandel und ständige Veränderungen der Arbeitswelt stellen das New Normal, die neue Realität dar. Das Buch von Michael Lang und Bernd Preuschoff „Praxis-Guide für Digital Leader: Von erfolgreichen Profis lernen“ (2023) verschafft Lesenden einen breiten Überblich über die Hintergründe der digitalen Transformation, die Auswirkungen auf die Arbeitswelt und einen möglichen Weg, technologischen Fortschritt und den Menschen in Balance zu halten. Das Buch bietet eine Breite von Strategien, Methoden und Vorgehensweisen für die erfolgreiche Umsetzung der Transformationsprozesse von 14 erfolgreichen Digital Leadern mit vielfältigen Digital-Erfahrungen. Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden? Welche Chancen können genutzt, und welche Risiken vermieden werden? Welche Erfolgsfaktoren müssen berücksichtigt werden? Die Antworten auf diese Fragen liefert Ihnen die praxisorientierte Lektüre von Lang und Preuschoff.
ISBN: 978-3-446-47562-5
In „Führen auf Distanz: Trainings erfolgreich leiten“ von Bettina Gierke werden Lesenden konkrete Fahrpläne für die Gestaltung von Führungskräftetrainings zu dem Thema 'Erfolgreiche Führung auf Distanz' vorgestellt.
Anwender:innen erhalten eine Vorlage für ein Live-Online-Führungstraining, bestehend aus fünf Modulen und weitere Durchführungsanleitungen für ein zweitägiges Präsenztraining. Entscheidende Erfolgsfaktoren für Führen auf Distanz lauten: Vertrauen aufbauen, ziel- und ergebnisorientiert führen, Teamgeist entwickeln, Isolation überbrücken und Vernetzung fördern sowie Kommunikation (neu) organisieren.
Die Umsetzungsimpulse, die 18 thematischen Vertiefungen und die Abbildungen machen dieses Buch zu einem geeigneten und flexiblen Werk für die praktische Anwendung als Trainer:in. Auch die Praxistipps erfahrener E-Learning-Trainer vereinfachen die Umsetzung dieser Trainings aus Sicht der Perwiss-Redaktion.
ISBN: 978-3-949611-03-2