Fluktuation

Als Arbeitgeber bei Fluktuation aktiv werden

30. März 2022
Sarah Rögner
Sarah Rögner
Perwiss-Expertin für Arbeits- und Organisationspsychologie

Wandelnde Arbeitswelten, vielfältige Möglichkeiten am Arbeitsmarkt und betriebliche Schwankungen erschweren die Ausbildung von Mitarbeiterbindung, sodass zunehmend Fluktuation thematisiert wird. Jedes formell begründete Arbeitsverhältnis endet irgendwann, doch häufig möchten Unternehmen bestimmte Personalabgänge verhindern.

Erfahren Sie mehr zum Thema Fluktuation, den Gründen und zur praktischen Umsetzung, um die Fluktuation in Ihrer Organisation geringhalten zu können.

Das Wichtigste in Kürze:
  • Unter Fluktuation werden allgemein die Personalabgänge des Unternehmens subsumiert, wenngleich insbesondere die Eigenkündigung der Mitarbeiter gemeint ist.

  • Nicht jede Fluktuation ist unerwünscht. Es besteht vielmehr das Ziel eine optimale Fluktuationsrate zu erreichen und speziell Leistungsträger an die Organisation zu binden.

  • Die Quelle der Personalfluktuation liegt in vielfältigen Determinanten und Gründen, wobei insbesondere die Mitarbeiterbindung, die Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen sowie externe Gründe ausschlaggebend sind.

So gehen Sie vor:
  • Das Verhindern der Mitarbeiterfluktuation beginnt bereits beim Onboarding. Hier bedarf es einer gut geplanten Einstiegsphase, die sich durch Vorbereitung des Arbeitsplatzes, Feedback und Informationsweitergabe auszeichnet.

  • Nach erfolgreichem Ankommen im Unternehmen sucht der Mitarbeiter Herausforderungen in seiner Arbeit, möchte sich weiterentwickeln und auch bei organisationalen Entscheidungen, Lösungen oder der Entwicklung der Produkte Mitsprache haben. Infolgedessen sollte Sie für Ihr Personal dahingehend Möglichkeiten schaffen.

  • Trotz vielfältiger Angebote entwickelt sich keine starke Mitarbeiterbindung und es passieren unerwünschte Kündigungen. Lernen Sie aus der Entscheidung und nutzen Sie die Phase des Austritts für hilfreiche Informationen und Lösungen, wie in Zukunft Angestellte gehalten werden können.

Was bedeutet der Begriff Fluktuation?

Der aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaft stammende Begriff Fluktuation beschreibt im Allgemeinen die Personalbewegungen in einem Unternehmen, d. h. alle Zugänge und Abgänge von Personal.

Das sogenannte "Employee Turnover" setzt den Fokus auf die vom Mitarbeiter ausgehende Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die Definition bezieht sich folglich auf Angestellte und deren Eigenkündigung.

Freiwillige Kündigungen des Personals können einerseits vom Unternehmen erwünscht sein oder anderseits auch negative Konsequenzen mit sich bringen.

Im ersten Fall spricht man von einer funktionalen Mitarbeiterfluktuation, die mitunter auch positive Folgen für den Betrieb haben kann. Die andere Form wird unter dysfunktionaler Fluktuation zusammengefasst und ist in Unternehmen besonders unerwünscht.

Gehen Kündigungen von den Mitarbeitern aus, verliert das Unternehmen nicht nur Wissen, sondern hat zusätzlich den Aufwand, frei gewordene Stellen wieder neu zu besetzen. Dies ist eine besondere Herausforderung bei speziellen Funktionen, die Wissen von Experten oder aber einen großen Erfahrungsschatz aus der Praxis erfordern.

Welche Arten von Fluktuation gibt es?

Natürliche Fluktuation

Das altersbedingte Ausscheiden eines Mitarbeiters durch Ruhestand oder Pensionierung, aber auch das plötzliche Ausscheiden aufgrund des Ablebens von Beschäftigten sind Personalabgänge, die als natürliche Fluktuation bezeichnet werden.

Unternehmensinterne Fluktuation

Wird der Job innerhalb des eigenen Unternehmens gewechselt, z. B. in eine andere Abteilung oder an einen anderen Standort, spricht man von unternehmensinterner Fluktuation.

Unternehmensfremde Fluktuation

Kündigt ein Mitarbeiter, um zu einem anderen Unternehmen zu wechseln oder sich selbstständig zu machen, handelt es sich um unternehmensfremde Fluktuation.

Bei einer "Frühfluktuation" fällt ein Arbeitnehmer die Entscheidung zur Kündigung noch innerhalb der ersten zwölf Monate nach Beginn der Beschäftigung.

Was sind Ursachen für Mitarbeiterfluktuation?

Die Anlässe oder Ursachen für Personalfluktuation können verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. Letztendlich wird die Entscheidung, den Arbeitsplatz zu wechseln, durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Gründe beeinflusst.

    • sinkende Attraktivität der Branche im Vergleich zu anderen Branchen
    • ungünstige wirtschaftliche Perspektive der Branche im Vergleich zu anderen Branchen
    • positive Entwicklung des Arbeitsmarktes (Fachkräftemangel)
    • attraktive Mitbewerber in der Region mit passenden Stellenanzeigen
    • aktive Abwerbung von Talenten und Führungskräften durch Wettbewerbsunternehmen
    • mangelhafte inhaltliche Einarbeitung und soziale Integration (fehlendes Onboarding)
    • unterschiedliche Erwartungen an Arbeitsplatz und Arbeitsaufgaben
    • Veränderungen in Prozessen und Strukturen des Unternehmens
    • Unzufriedenheit mit Arbeitsbedingungen oder Arbeitsaufgaben, beispielsweise in Bezug auf die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben
    • fehlende Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb der Position und unzureichende Karrierewege im Unternehmen
    • andauernde und nicht gelöste Konflikte
    • Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Kollegen oder Führungskräften
    • mangelnde Bereitstellung von Ressourcen (z. B. Zeit, Personal, Arbeitsmittel)
    • Umzug der Familie
    • Betreuung von Angehörigen, z. B. Pflege oder Kinderbetreuung
    • veränderte Lebensplanung oder spezifische Vorstellungen der eigenen Karriere

Gründe_FluktuationBildnachweis: Eigene Darstellung der PERWISS-Redaktion - Gründe der Fluktuation und die Möglichkeit der Steuerung beider Parteien

Was sind Anzeichen für eine drohende Mitarbeiterfluktuation?

Anzeichen für die Fluktuation von Mitarbeitern liegen insbesondere im Verhalten und der Leistung: Angestellte, die sonst sehr sozial und engagiert mitarbeiten, ziehen sich aus dem Team zurück, bringen weniger Inhalt in Besprechungen ein oder zeigen kein Interesse an Neuerungen und Veränderungen im Unternehmen. Insgesamt ist ein Rückgang der Mitarbeitermotivation zu verzeichnen. Infolgedessen haben vor allem die Veränderungen der Mitarbeiter eine zentrale Bedeutung.

Beispiele für weitere Zeichen sind zunehmende Konflikte im Team, vermehrte Aktivitäten in sozialen  Netzwerken oder aber das öffentliche Äußern von Unmut über das Unternehmen.

Was sagt die Fluktuationsrate aus?

Die Fluktuationsrate umfasst die Personalabgänge eines Unternehmens und basiert auf Zahlen der Beendigungen des Arbeitsverhältnisses, internen Versetzungsangaben, den erfassten Renteneintritten oder Zahlen zum Ableben der beschäftigten Personen.

Die Fluktuationsquote gilt als relevante Kennzahl zum Aufzeigen von Personalschwankungen. Da das Verlassen der Organisation sich insbesondere durch Eigenkündigungen vollzieht, liefert die Quote zuverlässige Beiträge hinsichtlich der Mitarbeiterbindung im Unternehmen. Bei hohen Fluktuationsraten sollte die Organisation schnellstmöglich handeln.

Zur Berechnung der Mitarbeiterfluktuation stehen verschiedene Formeln zur Verfügung, die sich jedoch in jedem Fall auf die Abgänge und die Gesamtanzahl der Mitarbeiter beziehen.

Bei der Basisformel wird die Fluktuationsquote durch Dividieren der Abgänge und dem Personalbestand zu Beginn der betrachteten Periode errechnet. Sie stellt damit die einfachste Art der Berechnung dar, berücksichtigt jedoch keine Neueinstellungen innerhalb der Periode.

Was ist die Schlüter-Formel?

Bei der Schlüter-Formel werden auch die Neuzugänge im betrachten Zeitraum berücksichtigt, sodass diese Berechnungeine Erweiterung der Basisformel darstellt.

Die Fluktuationsrate im Sinne der Schlüter-Formel ergibt sich durch das Dividieren der Personalabgänge und dem Personalbestand zum Beginn der Periode inklusive der Neueinstellungen.

Schlüter-FormelBildnachweis: Eigene Darstellung der PERWISS-Redaktion - Schlüter-Formel

Was ist die BDA-Formel?

Die BDA (= Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) - Formel beziffert die mitarbeiterseitigen Personalabgänge im Verhältnis zum durchschnittlichen Personalbestand.

Diese Art der Berechnung fokussiert demnach lediglich die freiwilligen Eigenkündigungen.

BDA_FormelBildnachweis: Eigene Darstellung der PERWISS-Redaktion - BDA-Formel

Wie berechnet man die Frühfluktuation?

Die Frühfluktuation bezieht sich auf Personalabgänge, die bereits in der Probezeit auftreten. Das Ankommen in einer Organisation ist häufig mit Unsicherheiten und hohen Erwartungen verbunden, sodass die Fluktuationsrate hier oft sehr hoch ausfällt.

Diese Formel liefert folglich relevante Informationen zur Effektivität des Onboarding-Prozesses.

FluktuationBildnachweis: Eigene Darstellung der PERWISS-Redaktion - Frühfluktuation

Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus der Fluktuation der Mitarbeiter?

Das Thema Fluktuation sollte nicht ausschließlich negativ gesehen werden. Neben bestimmten Risiken bringen Personalabgänge einem Unternehmen tatsächlich auch Chancen.

Chancen für Unternehmen durch Fluktuation

  • Neue Mitarbeiter bringen ergänzendes Know-how und neue Perspektiven ins Unternehmen
  • Neuen Mitarbeitern fallen eingefahrene Prozesse auf und sie stoßen Veränderungen an (Reduktion von "Betriebsblindheit")
  • Durch das Ausscheiden von bestimmten Angestellten lösen sich schwierige soziale Situationen in Teams auf, ggf. werden dadurch bestehenden Konflikte beendet

Risiken für Unternehmen durch Mitarbeiterfluktuation

  • Recruiting, Personalauswahl und Einarbeitung neuer Mitarbeiter sind mit erheblichen finanziellen und zeitlichen Ressourcen verbunden
  • Verlust von Know-how sehr erfahrender Angestellter, z. B. auf Schlüsselpositionen - ein Wechsel zur direkten Konkurrenz ist ein doppelter Risikofaktor
  • Unerwartet frei werden Stellen müssen durch Engagement der Kollegen kompensiert werden, es kommt zu Produktivitätsverlusten (Tempo und Qualität)
  • Erarbeitete Pläne zur Nachfolgeregelung müssen angepasst werden

In welchen Schritten können Unternehmen ihre Fluktuationsrate aktiv beeinflussen?

Ankommen lassen

Unternehmen können der Frühfluktuation von Mitarbeitern am besten entgegenwirken, wenn sie Zeit und Energie in die Einarbeitung neuer Kollegen stecken. Hier ist bereits der erste Eindruck beim neuen Arbeitgeber entscheidend:

  • Wie sieht der Arbeitsplatz aus?
  • In welcher Form wird man dem Team vorgestellt?
  • Wer ist Ansprechpartner bei Fragen?
  • Wann und wie wird Feedback gegeben?

In Einarbeitung investieren

Ein Einarbeitungsplan gibt Neuankömmlingen Sicherheit. Sie haben die Möglichkeit, sich schrittweise mit den Inhalten ihres neuen Arbeitsplatzes vertraut zu machen.

Unterstützt werden kann der Einarbeitungsprozess zusätzlich durch Partnerschaften innerhalb des Teams, in Form von Patenprogrammen und Mentoring. Auch extern unterstützende Angebote, wie zum Beispiel Onboarding-Coachings sind geeignete Maßnahmen, um frühen Personalabgängen entgegenzuwirken.

Entwicklung fördern

Werden in Personalgespräche Wünsche für die eigene Karriere oder zur fachlichen Weiterbildung geäußert, sollten diese gemeinsam erörtert und konkrete Maßnahmen verbindlich festgehalten werden.

Nicht selten werden kostenintensive Weiterbildungen mit einer spezifischen Vereinbarung zwischen Unternehmen und Angestellten untersetzt. Hier kann beispielsweise eine Beteiligung des Mitarbeiters festgehalten werden, wenn er vor Ablauf einer bestimmten Frist nach Beendigung der Weiterbildung das Unternehmen verlassen möchte.

Kultur der Veränderung etablieren

Die Unzufriedenheit mit bestimmten Verhältnissen im Unternehmen kann über längere Zeit hinweg zur inneren Kündigung führen. Insbesondere das Gefühl, nichts daran ändern zu können, lässt Mitarbeiter resignieren.

Hier kommt Führungskräften eine besondere Funktion zu. In Mitarbeitergesprächen und Teambesprechungen können sie regelmäßig Feedback einholen, nach Vorschlägen für Verbesserungen fragen oder sich im Team mit der Lösung von Konflikten beschäftigen.

Zeigt sich ein Unternehmen offen für den Wandel, sinkt bei Angestellten die Hemmschwelle, Kritisches anzusprechen. Infolgedessen ist die Unternehmenskultur ein zentraler Aspekt bei der Minimierung von Fluktuationen.

Austrittsgespräch gestalten

Sollte sich ein Mitarbeiter dennoch für den Wechsel des Arbeitgebers entscheiden, sollte das Unternehmen auch in diese Situation souverän handeln. Um die Ursachen für Personalabgänge zu verstehen, sollten Austrittsgespräche durchgeführt werden. In Abschiedsgesprächen ist die Offenheit von Angestellten oft groß, sodass alles an wahren Beweggründen und Bedingugen der eigenen Kündigung offenbart werden kann.

Es empfiehlt sich, für die sogenannten "exit interviews" einen spezifischen Leitfaden zu entwickeln und gezielt nachzufragen, was ihn bzw. sie zu einem Wechsel des Arbeitgebers veranlasst hat.

Mögliche Fragen im Austrittsgespräch

  • Was hat Sie dazu bewogen, sich nach anderen Arbeitsgebern umzusehen?
  • Was war für Sie ausschlaggebend, sich jetzt für die Kündigung bei uns zu entscheiden?
  • Was würde Sie hier im Unternehmen sofort ändern, wenn Sie in meiner Position wären?
  • Was müssten wir als Unternehmen tun, um Sie zum Bleiben zu bewegen?
  • Was sollte unser Unternehmen anders gestalten, um für Beschäftige langfristig als Arbeitsgeber attraktiv zu sein?

Fluktuationsanalyse durchführen

Vor allem Gründe, die konkret den Arbeitgeber betreffen, können über Abschiedsgespräche systematisch erfasst und anschließend analysiert werden. Gibt es in bestimmten Bereichen eines Unternehmens gehäufte Abgänge des Personals, sollten die Austritte besonders intensiv betrachtet werden.

FluktuationsanalyseBildnachweis: Eigene Darstellung der PERWISS-Redaktion in Anlehnung an Becker (2002) - Fluktuationsanalyse 

Veränderungsbedarfe bei der Gestaltung von Arbeitsaufgaben und -inhalten, der Arbeitsumgebung oder auch der Arbeitsorganisation können basierend auf der Fluktuationsanalyse formuliert und mit konkreten Maßnahmen für einzelne Bereiche im Unternehmen untersetzt werden.

Personalabgänge können dadurch Impulse geben, eingefahrene Prozesse und Strukturen zu hinterfragen und damit eine Veränderung bewirken.

Hintergründe kommunizieren

Um Gerüchten und Missverständnissen im Unternehmen zuvorzukommen, ist eine transparente Kommunikation zu den Hintergründen des Ausscheidens von Mitarbeitern empfehlenswert.

Im Idealfall nimmt der aussteigende Mitarbeiter selbst im Team Stellung und erläutert gegenüber seinen Kollegen, welche Motive hinter dem Arbeitsgeberwechsel stecken.