
Umgang mit Krisen im Personalwesen
Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit.
John F. Kennedy
In den letzten Monaten hat sich der Alltag in nahezu allen Unternehmen stark verändert. Kurzarbeit, Hygienebestimmungen und Krankheitsfälle im Kollegenkreis begleiten uns täglich. Auch in der Personalarbeit bleiben die Umstände nicht ohne Auswirkungen. Hatten laut der BPM-Berufsfeldstudie „People & Organization 2020“ die Themen Recruiting, Talentmanagement und Personalentwicklung sowie Digitalisierung von HR-Prozessen die größten Prioritäten, bestimmen nun neben der Digitalisierung insbesondere Arbeitsorganisation und New Work, Change Management und die interne Kommunikation die Arbeit in den Personalabteilungen. Nur jedes zweite Unternehmen gibt an, auf diese veränderten Anforderungen schnell reagieren zu können.
Haben Sie sich vor dem Jahr 2020 einmal die Fragen gestellt:
- Was passiert, wenn unser Unternehmen aufgrund einer gesundheitlichen Bedrohung nicht mehr weiterarbeiten kann?
- Was tun wir, wenn unsere Geschäftsführung unerwartet ausfällt oder sogar stirbt?
- Wie reagieren wir, wenn uns politische Entscheidungen, wie der Brexit, treffen?
- Welche Optionen bleiben uns, wenn unsere Geschäftsstätte abbrennt?
Über einen Krisenplan, mit unter anderem Zugriffssicherungen für Daten, Kommunikationskonzept und Notfallhandbuch, haben die wenigsten Unternehmensführungen verbindliche Vorsorgen getroffen. Fehlende Vorbereitung auf unerwartete, plötzlich eintretende Gewalten kann schnell zum Scheitern führen.
Was ist Krisenmanagement?
Der Begriff Krise beschreibt einen schwierigen und ausweglos erscheinenden Zustand. Diese kritische Situation stellt den Höhe- bzw. Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung dar. In Unternehmen äußert sich solch ein Ereignis als Zusammenbruch in Form von gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen und Konfliktpotenzial.
Mithilfe eines Krisenmanagements können Akteure die Auswirkungen lindern. Hierbei lässt sich zwischen Krisenprävention und der Bewältigung einer bereits existierenden Krise unterscheiden. Relevante Begriffe in diesem Kontext sind Frühwarnsysteme, Begleitung von notwendigen Veränderungsprozessen, Anpassung von Personalsystemen und Kompetenzaufbau bei Beteiligten.
Während der Corona-Pandemie haben zum Beispiel viele Unternehmen ihre Unternehmensvorstellungen hinsichtlich Präsenzarbeit und Home Office überarbeitet, Arbeitsvereinbarungen geschlossen und digital aufgerüstet. Mit einer einhergehenden Risikoanalyse und Krisenplan hätte hier viel Zeit gespart werden können.
Welche Krisen können Unternehmen unvorbereitet treffen?
Kritische Situationen lassen sich auf verschiedenste Ursachen zurückführen:
- Physische Krisen, z. B. Produktversagen und Ausfall von Anlagen
- Personelle Krisen, z. B. Tod der Geschäftsführung und Streiks
- Politische Krisen, z. B. Brexit und Sanktionen
- Kriminell bedingte Krisen, z. B. Hackerangriff und Diebstahl
- Wirtschaftliche Krisen, z. B. Umsatzverluste und Rezessionen
- Naturkatastrophen, z. B. Hochwasser und Orkane
Eines haben alle Auslöser gemein, sie fordern unvermittelte Reaktionen und umfassende Entscheidungen, die nicht nur die finanzielle Lage des Unternehmens betreffen, sondern insbesondere auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Bewerten Sie Ihre gegenwärtige Krisensituation mithilfe unseres Perwiss-Tools "Mustervorlage Auswirkungsanalyse". Das Tool unterstützt Sie bei der Abschätzung von Konsequenzen für Ihre persönliche Situation, Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Ihre Unternehmensprozesse.
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Wie sollten sich Verantwortliche in solchen Situationen verhalten?
Das Harvard-Konzept, entwickelt in den 1980er Jahren als Vorgehen zum sachbezogenen Verhandeln, bietet auch in Krisensituationen eine gute Struktur, um mögliche Optionen abzuwägen, mit anderen zu besprechen und eine passende Lösung auszuwählen.
Ziel des Harvard-Konzepts ist es, eine WIN-WIN-Situation für alle Beteiligten zu erreichen. Dabei bedient sich das grundlegende Vorgehen vier Prinzipien, die ursprünglich für Verhandlungen gedacht waren und häufig bei der Konfliktbearbeitung Anwendung finden.
Orientiert an dem Prozess der Harvard Universität bieten sich Ihnen folgende Möglichkeiten:
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Lassen Sie zunächst Ihren Emotionen freien Lauf. Im späteren Verlauf des Konzepts ist es entscheidend, dass sie den Sachgegenstand der Krise von den Menschen, mit denen Sie sich austauschen, trennen. Verschaffen Sie sich zunächst einen Überblick von der Lage in Ihrem Unternehmen: Welche Einschränkungen gelten im Unternehmensalltag? Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind betroffen? Welche finanziellen Einbußen gibt es zu verzeichnen?
Oft hilft es, Emotionen zu verbalisieren. Sprechen Sie sich zum Beispiel bei Ihrer Familie oder Leidensgenossen aus. Die Geschäftsführung kann auch gegenüber der Belegschaft äußern, dass sie persönlich erschüttert oder besorgt ist. Dies zeigt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass die Unternehmensleitung die aktuelle Gefühlswelt teilt. Geäußerte Emotionen sollten jedoch nicht den Eindruck von Hilflosigkeit oder Ausweglosigkeit erwecken. Das wäre mit Sicherheit kontraproduktiv. Vielmehr geht es darum, die in der Belegschaft herrschenden Gefühle aufzugreifen und dadurch ernst zu nehmen. Dann gilt es aber aufzuzeigen, dass trotz der Krise Handlungsoptionen für das Unternehmen bestehen und die Unternehmensleitung daran arbeitet, die nächsten Schritte zu strukturieren.
Bevor Sie in die konkrete Planung gehen, beschreiben Sie neben der aktuellen Ausgangslage auch Ihren eigenen Handlungsspielraum: Welche Rahmenbedingungen lassen sich durch Sie positiv gestalten? Wo sind Sie handlungsunfähig bzw. worauf haben Sie keinen Einfluss? Darüber hinaus können Sie bereits erste Alternativen für die nächsten Schritte sammeln.
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Kritische Ereignisse bringen häufig Verunsicherungen in das Unternehmen. Wenn Sie mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommunizieren, hilft es in zwei Schritten vorzugehen:
- Schritt 1: Sie beschreiben zunächst die neutralen Daten und Fakten und stellen alle offenen Fragen zusammen.
- Schritt 2: Im zweiten Schritt gehen Sie auf individuelle oder bereichsspezifische Probleme und Herausforderungen ein, die die Krise für die Belegschaft mit sich bringen.
Der Vorteil dieser Vorgehenswiese ist, dass die unter 1) dargestellten Fakten unbestritten sind und nicht mit in einer sich ggf. anschließenden Diskussion in Frage gestellt werden. Außerdem bleibt in Schritt 2) Raum für durchaus unterschiedliche Auswirkungen der Krise auf einzelne Beschäftigtengruppen oder Unternehmensbereiche.
TIPP: Nutzen Sie das Tool "Mustervorlage Auswirkungsanalyse", um die Auswirkungen auf die einzelnen Beschäftigungsgruppen und Unternehmensbereiche festzuhalten.
Bildnachweis: Ewe Degiampietro Im Rahmen der Pandemie brachten zum Beispiel Home Office oder rotierende Arbeitszeiten eine Erleichterung in die Arbeitsgestaltung. Die Frage nach den Interessen der Mitarbeitenden ist dabei von großer Bedeutung. Wie kommt es zum Beispiel an, wenn Mitarbeitende aus dem Verwaltungsbereich ins Home Office geschickt werden, während diese Lösung Beschäftigten der Produktion nicht angeboten werden kann? Welche Schutzmaßnahmen können stattdessen in der Werkhalle ergriffen werden?
Die Umgestaltung der Arbeitsroutine birgt hohes Potenzial für entstehende Demotivation und Unzufriedenheit. Vergleichen Sie gemeinsam, welche Bedingungen sind für den unternehmerischen Erfolg und welche für die Mitarbeiterzufriedenheit wichtig.
Die Studie „Gesundes Home Office“ der mhplus Krankenkasse hat zum Beispiel ergeben, dass jede dritte bzw. jeder dritter Beschäftige mit der Arbeit zu Hause zufrieden ist. Jedoch hat ein erheblicher Teil der Befragten Bedenken zu möglichen Einschränkungen der eigenen Karrierechancen. Solche Punkte können in Diskursen aufgegriffen werden.
Während Krisen spielen insbesondere Ängste eine wichtige Rolle. Die Pandemie brachte nicht nur gesundheitliche Ungewissheit mit sich, viele Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer fürchten um ihre Existenz, aufgrund von Schulschließungen und Kurzarbeit.
TIPP: Finden Sie im Perwiss-Toolbereich Impulse für die Gestaltung Ihrer Arbeitsbedingungen! Ein Beispiel hierfür sind die "Checkliste Teamzusammenarbeit födern" und "Die besten Collaboration Tools".
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Arbeitnehmervertretungen und Geschäftsführung definieren Kriterien für einen fairen Umgang mit der Krise. Zum Beispiel kann eine Prioritätenliste erarbeitet werden, die aufführt, welche Unternehmensteile oder Beschäftigtengruppen besonders stark betroffen oder in ihrer Arbeitsroutine eingeschränkt sind. Dementsprechend können Budgets verteilt werden und in verschiedene Maßnahmenpakete fließen. Wichtig ist, eine plausible und transparente Begründung zu formulieren und bekannt zu machen, damit sich niemand benachteiligt fühlt, sondern Verständnis für die Notwendigkeit unterschiedlicher Vorgehensweisen entsteht.
Was zeichnet ein erfolgreiches Krisenmanagement aus?
Ihr Perwiss-Team hat Ihnen sechs Erfolgsfaktoren zur Bewältigung von Krisen zusammengetragen:
Was haben Krisenmanagement und Agilität gemeinsam?
Agile Prozesse fokussieren Individuen und deren Interaktionen – wie Mitarbeitende und Kunden. Entscheidend ist dabei, dass Agilität sich mit der Reaktion auf Veränderungen beschäftigt, anstatt mit den Folgen vergangener Zeit. Treffend zum Thema Krisenmanagement gehen Unternehmen nach VUCA, einer Bezeichnung aus dem militärischen Kontext, nach folgenden Ansätzen vor:
- Volatility
- Uncertainty
- Complexity
- Ambiguity
TIPP: Sie wollen mehr zu den Grundlagen der Agilität erfahren? Dann lesen Sie die Themenseite "Agile Personalarbeit für agile Unternehmen".
Agiles Management bewährt sich insbesondere in Zeiten, die durch ein hohes Maß an Variablen und Unbekannten gekennzeichnet sind. Mithilfe von kurzen Umsetzungszyklen können Arbeitgeber so auch kurzfristig auf Veränderungen reagieren. Mit dieser Anpassungsfähigkeit können Sie auf die Dynamiken der Krise eingehen und die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit erhöhen. Es gilt: Risikominimierung durch Flexibilität.
Für Sie ist Agilität mehr als nur ein flüchtiger Trend und daher suchen Sie nach nachhaltigen Strategien und Lösungen für Ihr Unternehmen? Dann empfiehlt Ihnen das Perwiss-Team das Fachbuch zum kompakten Überblick zum Thema Agilität.
Michael Lang und Stefan Scherber geben als Herausgeber in „Der Weg zum agilen Unternehmen“ (2019) einen multidimensionalen Einblick in die wichtigsten Rollen und Zuständigkeiten, geltende Prinzipien sowie passende Methoden des agilen Managements. Dabei wird statt auf agile Projekte auf eine agile Unternehmensstruktur in allen Bereichen gesetzt, um Agilität als Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Lernen Sie durch die 17 Experten mehr über agiles Coaching, Scrum, Kanban und Co.
Ein besonderes Highlight dieses Werkes sind die mobilen Onlinefunktionen in Form eines E-Books und eines Podcasts.
ISBN-13: 978-3446457430
Jetzt ansehen und bestellenLetztendlich gilt es, trotz aller Hindernisse eine Krise erfolgreich zu meistern. Oft bringen die damit verbundenen Veränderungen Fortschritte mit sich. So haben viele Unternehmen durch die Pandemie ihre Digitalisierungs- und Kommunikationsstrategien verbessert und Themen wie Agilität und New Work haben einen enormen Aufschub erlangt. Voraussetzung für jede Veränderung ist, dass alle Beteiligten verstehen, warum diese gerade notwendig ist. So bildet die Drohkulisse einer wirtschaftlichen Krise ein vollkommen anderes Ausgangsszenario für Reorganisationsvorhaben als eine technische Innovation.
Never change a winning team. Wenn das, was sich gestern bewährte, heute als gesetzt gilt, kann auch Erfolg zum Verhängnis werden. Geschäftsprozesse müssen regelmäßig in Frage gestellt werden. Die Realität zeigt jedoch, das Unternehmen zumeist durch Krisen dazulernen. Wenn der Leidensdruck groß genug ist, können insbesondere Veränderungen, die wehtun, leichter umgesetzt werden. So mussten sich viele Führungskräfte vom Gefühl, ihre Mitarbeitenden aufgrund ihrer Anwesenheit im Büro „unter Kontrolle“ zu haben, verabschieden.
Die besten Bücher zum Krisenmanagement:
Folgende Bücher liefern Ihnen Definition, praktische Anleitungen, Beispiele und Werkzeuge, die Sie bei der Gestaltung Ihres Krisenmanagements unterstützen: