Die wichtigsten Führungsmodelle für die Praxis auf einen Blick
Führen oder auch Leadship wird nicht in die Wiege gelegt. Auch für Führung gibt es Handwerkszeug, das erlernt und angewendet werden will. Die Vielfalt der Modelle, Methoden und Instrumente, die sich rund um die Aufgaben einer Führungskraft ranken sind riesig.
Nicht alle sind sinnvoll, praktikabel und für den Arbeitsalltag im operativen Geschäft einsetzbar. Deshalb fällt die Auswahl der „richtigen“ Modelle und Methoden häufig schwer.
Dies ist auch für die Personalentwicklung ein bedeutsamer Fakt, denn diese stellt passende Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen für (Nachwuchs-) Führungskräfte zusammen.
Wir stellen Modelle bzw. Methoden vor, die jede Führungskraft kennen sollte, um den ganz unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese haben wir mit Bedacht und mit mehr als 20 Jahren Praxiserfahrung ausgewählt. Die Sammlung dieser Modelle werden wir in den kommenden Monaten erweitern, so dass es sich lohnt, wieder vorbeizuschauen.
Das Modell der Situativen Führung - Situational Leadership Theory (Paul Hersey und Ken Blanchard (1969, 1977 bzw. Blanchard 1985)
Dieses Führungsmodell geht davon aus, dass es nicht an sich „den“ besten Führungsstil gibt. Der Führungsstil muss in Abhängigkeit von der Situation gewählt werden. Die Situation wird von zwei Variablen bestimmt.
Aus diesen beiden Variablen ergeben sich vier mögliche Reifegrade bei Mitarbeitern bzw. Gruppen, die von Aufgabe zu Aufgabe variieren können. Der Reifegrad bezieht sich nicht auf den Mitarbeiter an sich, sondern auf die jeweilige Aufgabe. Er kann mit einer Entwicklungsstufe verglichen werden. Für jeden Reifegrad empfehlen Hersey und Blanchard einen bestimmten Führungsstil.
In Abhängigkeit vom Reifegrad stehen die Beziehungsorientierung oder die Aufgabenorientierung im Vordergrund.
Der Mitarbeiter bzw. die Gruppe ist bezüglich der Übernahme einer bestimmten Arbeitsaufgabe nicht fähig und unmotiviert bzw. zeigt wenig Engagement.
Die Führungskraft weist an (Telling). Sie wählt den direktiven Führungsstil. Sie gibt genaue Anweisungen und kontrolliert die Aufgabenerledigung streng. Die Kommunikation erfolgt von der Führungskraft in Richtung Mitarbeiter. Die Führungskraft gibt genau vor, welche Aufgabe, wie, warum, wann und wo auszuführen ist. Es erfolgt eine sehr enge Kontrolle.
Wie Sie neue und Nachwuchsführungskräfte dafür fit machen, Führungsaufgaben zu übernehmen und sich in der neuen Rolle wohl zu fühlen, erfahren Sie hier.
5 Module: Situativ führen, Führungskommunikation gestalten, Konflikte bewältigen, Mitarbeiter entwickeln, Veränderungen vorantreiben
Der Mitarbeiter bzw. die Gruppe ist bezüglich der Erledigung einer Arbeitsaufgabe nicht fähig, aber motiviert.
Die Führungskraft argumentiert (Selling). Sie erklärt Entscheidungen und Anweisungen genau. Ebenso ermöglicht sie Rückfragen zur Klärung des Arbeitsauftrages. Die Kommunikation erfolgt in zwei Richtungen. Dem Mitarbeiter bzw. der Gruppe wird die Arbeitsaufgabe so vermittelt, dass sich diese zu eigen gemacht wird.
Der Mitarbeiter bzw. die Gruppe ist bezogen auf die Arbeitsaufgabe fähig, aber nicht motiviert bzw. das Engagement ist schwankend.
Die Führungskraft beteiligt (Partizipating): Sie teilt ihre Ideen mit und ermutigt die Mitarbeiter bzw. die Gruppe, Entscheidungen zu treffen. Es erfolgt ein gemeinsamer Entscheidungsprozess über die Arbeitsaufgabe. Die Führungskraft reduziert die direkten Arbeitsanweisungen und bemüht sich um die Beziehung zum Mitarbeiter bzw. zur Gruppe.
Der Mitarbeiter bzw. die Gruppe ist bezogen auf die Arbeitsaufgabe fähig und motiviert.
Die Führungskraft delegiert (Delegating): Sie überträgt die Verantwortung zur Entscheidungsfindung und Durchführung an den Mitarbeiter. Sie fördert selbständiges Handeln und eigenverantwortliche Entscheidungen. Die Führungskraft bleibt in die Entscheidungen einbezogen. Die Verantwortung für die Durchführung hat der Mitarbeiter oder die Gruppe. Die Führungskraft überwacht weiterhin die Ausführung und die Ergebnisse.
Herausforderungen bei der Umsetzung des Führungsmodells in der Praxis sind:
Kommunikationsquadrat (auch bekannt als Vier-Ohren-Modell oder Vier Seiten einer Nachricht/Botschaft oder Nachrichtenquadrat) (1981)
Grundaussage: Jede Äußerung enthält vier Botschaften, die mit vier „Schnäbeln“ gesendet wird und die auch auf vier Weisen („Ohren“) verstanden werden kann. Es ist nicht relevant, ob der Sender diese vier Botschaften senden möchte.
Sachinformation/Sachinhalt
Selbstkundgabe/Selbstoffenbarung
Beziehung/Beziehungsseite
Appell
Fazit: Das Modell hilft Führungskräften die eigene verbale und nonverbale Kommunikation bewusster zu gestalten und zu reflektieren. Missverständnisse in der Kommunikation können leichter erkannt und z. B. durch Rück- bzw. Verständnisfragen ausgeräumt werden. Arbeitsaufträge können mit diesem Modell gezielt vorbereitet werden. Bei der Formulierung von Nachrichten sollten Führungskräfte präzise sein, Komplexität reduzieren, die Kontextbedingungen und geistigen Fähigkeiten des Empfängers berücksichtigen.
Das Phasenmodell der Eskalation - 9 Stufen der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl (1980)
Grundaussage: Konflikte können in neun Eskalationsstufen eingeteilt werden, die sich drei Ebenen zuordnen lassen. Mit jeder Stufe nimmt die „Härte“ des Konfliktes zu. Ab einer gewissen Stufe können Konflikte nicht mehr ohne Hilfe „von außen“ gelöst werden.
Stufe 1: Verhärtung
Stufe 2: Polemik und Debatte
Stufe 3: Taten statt Worte!
Stufe 4: Sorge um Image und Koalition
Stufe 5: Gesichtsverlust
Stufe 6: Drohstrategien
Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge
Stufe 8: Zersplitterung
Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Stufe 1-3: Moderation
Stufe 3-5: Prozessbegleitung
Stufe 4-6: externe sozio-therapeutische Prozessbegleitung
Stufe 5-7: externe professionelle Mediation
Stufe 6-8: Schiedsgerichtsverfahren
Stufe 7-9: Machteingriff von oben
Fazit: Anhand der Merkmale der einzelnen Konfliktstufen, können Führungskräfte analysieren welche Eskalationsstufe ein Konflikt erreicht hat. Davon können sie zielgerichtet ableiten, welche Konfliktbewältigungs- bzw Konfliktdeeskalationsstrategie „noch“ greift.
TIPP: Informieren Sie sich umfassend über das Thema "Konflikmanagement" auf der passenden Themenseite.
Zwei-Faktoren-Theorie (Motivation-Hygiene-Theorie) von Frederick Herzberg (1959)
Grundaussage: Arbeitszufriedenheit entsteht aus dem Zusammenkommen von Hygienefaktoren und Motivatoren. Zufriedenheit entsteht nicht, wenn keine Gründe zur Unzufriedenheit vorliegen.
Die Zwei-Faktoren-Theorie ist eine Inhaltstheorie. Es wird zwischen zwei Arten von Einflussgrößen auf Arbeitszufriedenheit unterschieden.
1. Hygienefaktoren = Faktoren, die auf den Kontext der Arbeit bezogen sind.
Zu den Hygienefaktoren zählen:
2. Motivatoren = Faktoren, die auf den Inhalt der Arbeit bezogen sind.
Typische Motivatoren sind:
Aus der Kombination von Hygienefaktoren und Motivatoren entstehen vier mögliche Zustände:
Der Zustand der Hygienefaktoren ist schlecht, die Ausprägung der Motivatoren ist gering: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind unzufrieden. Es gibt nichts, was sie kurzfristig motivieren könnte. Eine hohe Fluktuation, geringe Anwesenheit und geringe Arbeitsleistung sind sehr wahrscheinlich.
Der Zustand der Hygienefaktoren ist schlecht, die Ausprägung der Motivatoren ist hoch: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit der Arbeitsaufgabe zufrieden. Das Leistungserleben ist gut. Die Freude an der Arbeit wird durch ein schlechtes Umfeld negativ beeinflusst. Ineffiziente Verwaltung und Bürokratie, eine schlechte Beziehung zur Führungskraft und ein ungutes Klima im Team demotivieren.
Der Zustand der Hygienefaktoren ist gut, die Ausprägung der Motivatoren ist gering:Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in einem hervorragenden Umfeld, haben einer perfekten Vorgesetzen und Kollegen nach Maß. Die Arbeitsaufgabe macht keinen Spaß, Erfolgserlebnisse sowie Möglichkeiten zur Verantwortungsübernahme fehlen.
Der Zustand der Hygienefaktoren ist gut, die Ausprägung der Motivatoren ist hoch: Nach Herzberg kommt erst hier wirkliche Arbeitszufriedenheit zustande. Die Mitarbeiter wirken in einem optimalen Arbeitsumfeld und haben eine interessante, abwechslungsreiche Arbeitsaufgabe.
Fazit: Auch bei einiger berechtigter Kritik an der Theorie von Herzberg gibt diese eine gute Orientierung für die Führungskräfte bei der Motivation der Teammitglieder. Sie hilft einzuschätzen, in welchem Motivationsquadranten Mitarbeiter sich aktuell befinden. Weiterhin ermöglicht die Theorie eine systematische Analyse der Hygienefaktoren und der Motivatoren. Ferner zeigt sie vielfältige Möglichkeiten der immateriellen Motivation auf, die Führungskräfte im Alltag umsetzen können.
TIPP: Mehr Informationen zur Mitarbeitermotiviation finden Sie auf der passenden Themenseite.
Das Phasenmodell der Teamentwicklung - Teamuhr nach Bruce Tuckman (1965 und 1977)
Grundaussage: Teamentwicklung untergliedert sich in vier bzw. fünf Phasen. Die Phasen unterscheiden sich durch bestimmte Merkmale. Die Entwicklungsphasen können in unterschiedlicher Geschwindigkeit durchlaufen werden. Sie können gleichzeitig und wiederholt auftreten.
Teams müssen lernen, miteinander zu arbeiten und volle Leistung zu entfalten. Tuckmann stellt in seinem Phasenmodell diesen Teamentwicklungsprozess in Form einer Teamuhr dar.
Die vier ursprünglichen Phasen sind Test- und Orientierungsphase (forming), Konflikt-, Frustations- und Nahkampfphase (storming), die Normierungs-, Akzeptanz- oder Organisationsphase (norming) und die Arbeits-, Routine- oder Verschmelzungsphase (performing). 1977 kam die Trennungs- oder Ablösungsphase (adjourning) hinzu, die insbesondere bei temporären Teams (z. B. Projektteams) eine Bedeutung hat. Mit jedem neuen Teammitglied beginnt die Teamuhr „neu zu ticken“!
Fazit: Die Teamuhr hilft Führungskräften den aktuellen Status ihres Teams zu ermitteln und in Abhängigkeit von der aktuellen Phase Teamentwicklungsmaßnahmen zu ergreifen. Führungskräfte erfahren durch das Modell wie wichtig konstruktiv geführte Konflikte für den Teamentwicklungsprozess sind. Für den Teamentwicklungsprozess sollten Führungskräfte ausreichend, vor allem zeitliche Ressourcen bereitstellen.
TIPP: Umfangreiche Informationen zur Teamentwicklung finden Sie auf der passenden Themenseite.
7-Phasen-Modell nach Richard K. Streich (1997)
Grundaussage: Veränderungen laufen in sieben typischen Phasen entlang einer Kurve ab. Die Phasen sind durch unterschiedliche Energielevel gekennzeichnet. Ergebnis und Verlauf der Kurve können durch Führung und Begleitmaßnahmen positiv beeinflusst werden.
Die Beteiligten werden mit einer neuen Situation bzw. neuen Anforderungen und Erwartungen konfrontiert, für die noch kein angemessenes Verhalten und keine Lösung existiert. Mängel und Probleme werden thematisiert, neue Ziele formuliert.
Merkmale:
Stimmung: „Das kann doch nicht wahr sein!“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Bisherige Positionen der Beteiligten werden in Frage gestellt. Viele Beteiligte beziehen deutlich Position im Sinne der eigenen Zukunftssicherung. Verteidiger und Befürworter der Veränderung stehen sich gegenüber.
Merkmale:
Stimmung: „Das stimmt nicht!“ vs. „Wir können es doch!“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Das Realitätsbewusstsein wächst. Notwendigkeit und Grenzen der Veränderung werden deutlich (ggf. Trennung von Mitarbeitenden, Bearbeitung von Konflikten) Das Leistungsniveau sinkt deutlich. Einige Beteiligte positivieren noch immer Vergangenes.
Merkmale:
Stimmung: „Es ist furchtbar, aber es ist schon klar, dass …“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Die Veränderung wird akzepiert. Die neue Realität wird erfasst.
Merkmale:
Stimmung: „Es stimmt eigentlich doch!“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Neue Verhaltensweisen werden praktiziert und erforderliche Maßnahmen erprobt. Änderungen werden umgesetzt und evaluiert.
Merkmale:
Stimmung: „Wir können es ja mal versuchen!“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Gründe für Erfolge und Misserfolge der Testphase werden ermittelt, reflektiert, erforderliche Abweichungen von der ursprünglichen Planung werden vorgenommen. Projekte werden abgeschlossen und ausgewertet.
Merkmale:
Stimmung: „So könnte es tatsächlich gehen!“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Veränderungen sind zur Tagesroutine und Selbstverständlichkeit geworden. Der Veränderungsprozess ist erfolgreich abgeschlossen. Der nächste Changeprozess ist evtl. schon in Vorbereitung.
Merkmale:
Stimmung: „Das ist schon selbstverständlich!“
Verhalten:
Führungsmaßnahmen:
Fazit: Führungskräfte können durch Kenntnis des Modells Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besser beim Bewältigen von neuen Herausforderungen/Veränderungen unterstützen. Die Erfolgsquote von Veränderungen kann gezielt durch Führungs- und Begleitmaßnahmen in den einzelnen Phasen der Veränderung beeinflusst werden.
„Systemische Führung von interkulturell-virtuellen Teams. Der Gamechanger in der globalen-digitalen Arbeitswelt“
Seit der Corona-Pandemie ist Führen auf Distanz ein wichtiges Thema und Normalität in vielen deutschen Unternehmen. In dem Buch „Systemische Führung von interkulturell-virtuellen Teams. Der Gamechanger in der globalen-digitalen Arbeitswelt“ (2023) setzt sich Emanuel Lehner-Telic mit der Frage auseinander, wie die Führungskräfte ihre Teams trotz räumlicher Distanz systemisch führen können, ohne dabei immer alles zu wissen und sofort eingreifen zu können. Der Autor verschafft einen detaillierten Einblick in die Möglichkeiten des gleichberechtigten Austauschs vor interkulturellem Hintergrund zur Förderung der Menschlichkeit und Produktivität in Ihrem Unternehmen. Des Weiteren erläutert Lehner-Telic die theoretischen Begriffe wie Systemtheorie, Typologien von Führung auf Distanz und interkulturelle Kommunikation. Besonders interessant und hilfreich findet die Perwiss-Redaktion die Zusammenführung von theoretischem Wissen, das eine hohe Anschlussfähigkeit an den Berufsalltag mit den vorgestellten Praxisbeispielen bietet.
ISBN: 978-3-648-17445-6