Flexible Zeiten, starke Arbeitgebermarke: Wie neue Arbeitsmodelle Talente anziehen
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Flexible Zeiten, starke Arbeitgebermarke: Wie neue Arbeitsmodelle Talente anziehen

25. November 2025
Sarah Rögner
Sarah Rögner
Perwiss-Expertin für Arbeits- und Organisationspsychologie

Flexibilität gilt heute als Schlüssel, um im Wettbewerb um Talente zu bestehen. Unternehmen, die durch neue Arbeitszeitmodelle die Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden steigern und ihre Arbeitgebermarke stärken, zeigen, wie wichtig moderne Arbeitsorganisationen geworden sind. Doch die Diskussion über die Zukunft der Arbeitszeit ist noch längst nicht abgeschlossen – gesetzliche Rahmenbedingungen, technologische Lösungen und der kulturelle Wandel spielen dabei eine zentrale Rolle.

Wandel der Arbeitskultur

Die Gestaltung der Arbeitszeit entwickelt sich zunehmend zu einem strategischen Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Flexible Arbeitsmodelle gelten längst nicht mehr als reines Zugeständnis an individuelle Bedürfnisse, sondern als Bestandteil einer modernen Arbeitsorganisation. Unternehmen, die starre Strukturen auflösen und dynamische Zeitmodelle einführen, steigern nicht nur ihre Attraktivität für Bewerber, sondern stärken auch langfristig die Bindung ihrer Mitarbeitenden. Besonders im Kontext des demografischen Wandels, des zunehmenden Fachkräftemangels und veränderter Erwartungen jüngerer Generationen gewinnen solche Modelle an Bedeutung.

Die gesetzliche Grundlage für die Arbeitszeitgestaltung bleibt dabei relevant. Nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) liegt die reguläre tägliche Höchstarbeitszeit in Deutschland bei acht Stunden, erweiterbar auf zehn Stunden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen ein entsprechender Ausgleich erfolgt. Diese Rahmenbedingungen setzen klare Grenzen, lassen aber zugleich Raum für betriebliche Flexibilität, etwa durch Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit oder Vier-Tage-Wochen. Innerhalb dieses rechtlichen Rahmens entwickeln sich innovative Lösungen, die den Fokus auf Ergebnisorientierung statt Präsenzkultur legen.

Vielfalt der Arbeitszeitmodelle im Überblick

Die Auswahl geeigneter Arbeitszeitmodelle hängt stark von Branche, Unternehmensgröße und Tätigkeitsprofil ab. Dennoch zeigt sich eine deutliche Tendenz hin zu Modellen, die den Beschäftigten mehr Autonomie ermöglichen.

Ein besonders prägnantes Beispiel liefert eine aktuelle Statistik zur Vier-Tage-Woche, die vom Statista Research Department (2025) herausgegeben wurde: 

Über 70% der Befragten wünschen sich eine Vier-Tage-Woche – allerdings nur bei gleichbleibendem Lohn. Weitere 8 % würden sie sogar bei geringerem Gehalt akzeptieren, während nur 17 % das Modell grundsätzlich ablehnen. Die Daten zeigen damit klar, wie stark das Bedürfnis nach verkürzten Arbeitszeiten in der Arbeitswelt verankert ist.

Quelle: Statista Research Department (2025): Umfrage zu „Wünschen Sie sich eine 4-Tage-Woche mit entsprechend kürzeren Arbeitszeiten?“, zitiert nach de.statista.com, URL https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1383464/umfrage/wunsch-nach-einer-4-tage-woche/ , Abruf am 25.11.2025, 13:12 Uhr.

Neben der Vier-Tage-Woche sind auch folgende Arbeitszeitmodelle beliebt:

Gleitzeit

Arbeitsbeginn und -ende können innerhalb eines definierten Rahmens individuell gewählt werden, eine Kernarbeitszeit bleibt häufig bestehen.

Vertrauensarbeitszeit

Eine formale Kontrolle der Arbeitszeit entfällt, der Fokus liegt auf Zielerreichung, Eigenverantwortung und Selbstorganisation.

Jahresarbeitszeitkonten

Die Arbeitszeit wird flexibel über ein Jahr verteilt, um saisonale Schwankungen auszugleichen.

Teilzeitmodelle mit variabler Wochenstundenanzahl

Besonders relevant für Beschäftigte mit Betreuungspflichten oder in Weiterbildungsphasen.

Diese Modelle bringen betriebliche Vorteile, etwa durch geringeren Verwaltungsaufwand oder reduzierte Fehlzeiten. Gleichzeitig entstehen Herausforderungen bei der Koordination von Teams, der Aufrechterhaltung von Erreichbarkeit und der Absicherung gesetzlicher Pausen- und Ruhezeiten. Eine strukturierte Einführung und klare interne Kommunikation sind daher unerlässlich.

Work-Life-Balance als strategischer Erfolgsfaktor

Flexible Arbeitszeiten wirken sich deutlich auf die Wahrnehmung eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber aus. Studien zeigen, dass Kandidaten verstärkt Wert auf individuelle Gestaltungsmöglichkeiten legen, insbesondere in der Phase der Familiengründung oder bei parallelen Weiterbildungen. Unternehmen, die dies ermöglichen, positionieren sich im Recruiting als fortschrittlich und mitarbeiterorientiert und heben sich sichtbar vom Wettbewerb ab.

Neben der Anziehungskraft auf externe Talente spielen flexible Modelle auch bei der langfristigen Bindung von Beschäftigten eine zentrale Rolle. Zufriedenheit, Motivation und Produktivität steigen, wenn die Gestaltung des Arbeitsalltags mit dem privaten Leben vereinbar bleibt. Die emotionale Bindung an das Unternehmen wird durch das entgegengebrachte Vertrauen gestärkt.

Zudem entfällt durch die flexible Gestaltung der Arbeitszeit häufig der Druck, private Verpflichtungen in Randstunden zu organisieren. Das reduziert Belastungen und fördert die psychische Gesundheit. In Summe verbessert sich das Betriebsklima, was sich wiederum positiv auf die Leistungsbereitschaft auswirkt.

Effizienz und Struktur durch digitale Zeiterfassung

Technologische Lösungen leisten einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung flexibler Arbeitszeiten. Digitale Zeiterfassungssysteme ermöglichen es, Arbeitszeiten transparent zu dokumentieren und zugleich den gesetzlichen Rahmen einzuhalten. Besonders in Unternehmen mit Vertrauensarbeitszeit bieten diese Systeme eine wichtige Grundlage für gegenseitiges Vertrauen, ohne Kontrolle in den Vordergrund zu stellen.

Die folgende Tabelle zeigt typische Funktionen gängiger Systeme und deren Nutzen im betrieblichen Alltag:

Neben technischer Funktionalität ist die Akzeptanz im Team ein kritischer Erfolgsfaktor. Systeme sollten intuitiv bedienbar sein und transparent kommuniziert werden, um Skepsis oder Datenschutzbedenken vorzubeugen. Damit werden digitale Tools zu einem strategischen Instrument, das effiziente Prozesse mit einer mitarbeiterorientierten Kultur verbindet.

Strategischer Kulturwandel statt kurzfristiger Anpassung

Die Einführung flexibler Arbeitszeiten ist kein isoliertes Projekt, sondern Teil eines umfassenden kulturellen Wandels im Unternehmen. Führungskräfte nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Sie begleiten den Übergang organisatorisch und spiegeln ihn zugleich im eigenen Führungsverhalten wider. Vertrauen, Kommunikation auf Augenhöhe und Ergebnisorientierung sind zentrale Elemente einer Arbeitskultur, die flexible Modelle langfristig trägt.

Auch die Personalentwicklung ist gefordert. Schulungsangebote zu Zeitmanagement, digitaler Selbstorganisation oder teaminterner Abstimmung stärken die Umsetzung in der Praxis. Unternehmen, die auf diesen Kulturwandel setzen, entwickeln sich schrittweise hin zu Organisationen, in denen Eigenverantwortung und Agilität selbstverständlich sind.

Die strategische Verankerung flexibler Zeiten stärkt die Markenbildung als Arbeitgeber und schafft zugleich Grundlagen für mehr Effizienz, geringere Fluktuation und bessere Arbeitsqualität. Damit erweisen sich neue Arbeitsmodelle als mehr als ein kurzfristiger Trend. Sie sind Teil einer zukunftsfähigen Unternehmensstrategie.

Die Arbeitszeit-Debatte geht weiter

Die Diskussion um mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung wird sich in den kommenden Jahren weiter intensivieren. Aktuelle Überlegungen betreffen unter anderem die mögliche Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit bei gleichzeitiger Verkürzung der Wochenarbeitszeit. So wird bundespolitisch diskutiert, die bisherige tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden durch eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden zu ersetzen. Diese Umstellung würde längere Arbeitstage ermöglichen, die Gesamtarbeitszeit aber innerhalb eines Wochenrahmens begrenzen. Eine konkrete Gesetzesänderung ist jedoch frühestens Ende 2025 oder Anfang 2026 zu erwarten.

Zudem sind die elektronische und tagesaktuelle Zeiterfassungspflicht für Arbeitgeber in der Diskussion, um Transparenz zu schaffen und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben sicherzustellen. Neben diesen gesetzlichen Anpassungen gewinnen auch flexible Arbeitsmodelle wie „Workation“, die ortsunabhängiges Arbeiten mit Urlaubsphasen verbinden, zunehmend an Bedeutung. Flexible Lebensarbeitszeitkonten stehen ebenfalls verstärkt im Fokus, da sie es ermöglichen, Erwerbsverläufe besser an persönliche Lebensphasen anzupassen. Die Individualisierung von Arbeitsverträgen bleibt ein wichtiger Trend, um den vielfältigen Bedürfnissen von Beschäftigten gerecht zu werden.

In der politischen Debatte wird darüber hinaus geprüft, wie das Arbeitszeitgesetz an die Anforderungen einer digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt angepasst werden kann, um Unternehmen und Beschäftigten mehr Spielraum bei der flexiblen Zeiteinteilung zu bieten. Bis zur Umsetzung sind allerdings noch einige Schritte und Abstimmungen mit Sozialpartnern erforderlich.

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